Der leere Platz
Ein erschütterndes Buch über die Grenzen zwischen dem, was wir für normal halten, und dem, was wir »verrückt« nennen.
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Produktinformationen zu „Der leere Platz “
Ein erschütterndes Buch über die Grenzen zwischen dem, was wir für normal halten, und dem, was wir »verrückt« nennen.
Klappentext zu „Der leere Platz “
Marlen hat ein schönes Leben, unverschämt schön, denkt sie manchmal. Aber wie schnell das Glück zerrinnen kann, auch wenn man ein privilegiertes Leben führt,erfährt sie, als ihr Sohn eines Tages verschwindet. Angstvolles Warten und später die traurige Gewissheit seiner psychischen Krankheit rauben ihr Schritt für Schritt die Leichtigkeit des Lebens. Ein Roman über den Kampf einer Mutter um den Zusammenhalt ihrer Familie und ihre Konfrontation mit einer Krankheit, die in der Gesellschaft wenig Verständnis findet.
Lese-Probe zu „Der leere Platz “
Es ist natürlich lächerlich zu behaupten, dass die Art, wie ein Telefon klingelt, die Stimmung des Anrufers widerspiegeln kann. Und doch: Das Telefon klingelte anders. Dunkler. Als müsse es, um die schlechte Botschaft zu überbringen, alles Fröhliche, alles Lebendige unterdrücken. Und sie, eben noch im Tiefschlaf, es war sechs Uhr morgens, war sofort hellwach. Sie spürte, wie ihr Körper erstarrte, während ihr Herz plötzlich so stark klopfte, dass sie es deutlich fühlen, ja, sogar hören konnte, seine hin und herrollende Bewegung im Brustkorb, rhythmisch und schwer. Verzweifelt suchte sie in ihrem Kopf nach einer anderen, einer erfreulicheren Erklärung für diesen Anruf. Eine Geburt? In ihrem Bekanntenkreis war keine Schwangerschaft bekannt. Oder einfach eine falsche Nummer? Das konnte es sein. Doch es gelang ihr nicht, sich selbst zu täuschen. Sie wusste genau, dass dieser Anruf ihr galt, und dass es keine Möglichkeit gab, der Nachricht zu entkommen. Und sie wusste auch, dass, sobald sie das Gespräch annehmen würde, nichts mehr so sein würde wie früher. Trotzdem konnte sie sich nicht rühren. Sie lag ganz still in ihrem Bett. Ihr war eiskalt. Das Klingeln verstummte. Jetzt ergriff sie Panik. Was, wenn sie den Anruf nun verpasst hatte? Bitte nicht! Nicht noch länger in Ungewissheit leben. Lieber die Nachricht, jetzt, sofort, egal wie schlecht. Die letzten Jahre hatten nur aus Ungewissheit, aus Angst, aus Warten bestanden. Nun war jede zusätzliche Sekunde eine Folter. Sie sprang, fiel beinahe aus dem Bett, stolperte und rannte zum Telefon, das auch schon wieder zu klingeln anfing. Diesmal war sie fast dankbar dafür und riss den Apparat an sich, um ihn unnötig fest an ihr Ohr zu pressen.
Eine Krankenschwester meldete sich. Ihren Namen bekam sie in der Aufregung nicht mit, auch nicht den Namen der Klinik. Nur, dass es sich um eine psychiatrische Klinik in Deutschland handelte, in der sich ihr Sohn befinden sollte. Warum zum Teufel eine psychiatrische
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Klinik? Und dann wurde ihr klar, was das auch bedeutete: er lebt! Gott sei Dank. Er lebt.
Seit über einem Jahr - wie lange eigentlich genau? -, sie hätte es in diesem Moment nicht sagen können, obwohl sie so oft die Tage gezählt hatte, war dieser Anruf das erste Lebenszeichen von ihrem Kind, von ihrem so sehr vermissten Sohn.
Fröstelnd stand sie im Wohnzimmer. Die ersten fahlen Lichtstrahlen, die sich durch die Rillen der Jalousien pressten, strichen wie sanfte Hände über die Möbel, als wäre es ihre allmorgendliche Aufgabe, sie für den bevorstehenden Tag zu arrangieren. Schon konnte man draussen die frühen Schreie der exotischen Vögel hören, ein Kreischen, so menschlich, dass Marlen jedes Mal zusammenfuhr, und kurz darauf die ersten Rufe der Menschen, die die Schreie der Vögel schlagartig verstummen liessen. Dann kurzzeitig wieder vollkommene Stille. Ihre Hand hielt noch immer den Apparat fest umklammert, obwohl am anderen Ende das Gespräch längst beendet worden war. Jetzt erst bemerkte sie ihren Mann. Martins Haar war in den letzten Jahren vollkommen ergraut und stand jetzt nachtzerzaust und wild von seinem Kopf ab. In seinem weiten Pyjama wirkte er schlaksig und etwas verloren. »Kai?«, fragte er. Und in seiner Frage, die nur aus diesen drei Buchstaben bestand, lag so viel Resignation, so viel Erschöpfung, dass sie eigentlich gar keine Frage mehr war, sondern eine fatalistische Feststellung. Kai. »Ja« flüsterte sie. »Kai. Er ist in einer Klinik. In Deutschland. Er hatte wohl einen Zusammenbruch. Sein Auto ... er hat sein Auto angezündet. Sagen sie. Mitten in der Stadt. Wir sollen kommen.«
Sie war im Urlaub schwanger geworden, damals auf Hawaii, und hatte darum auf diesen Vornamen bestanden: Kai, was auf Hawaiianisch »das Meer« bedeutet. Ob es daran gelegen hatte, dass sie im Palaau State Park auf der kleinen Insel Molokai kichernd den majestätisch zum Himmel ragenden Phallic Rock berührt hat
Seit über einem Jahr - wie lange eigentlich genau? -, sie hätte es in diesem Moment nicht sagen können, obwohl sie so oft die Tage gezählt hatte, war dieser Anruf das erste Lebenszeichen von ihrem Kind, von ihrem so sehr vermissten Sohn.
Fröstelnd stand sie im Wohnzimmer. Die ersten fahlen Lichtstrahlen, die sich durch die Rillen der Jalousien pressten, strichen wie sanfte Hände über die Möbel, als wäre es ihre allmorgendliche Aufgabe, sie für den bevorstehenden Tag zu arrangieren. Schon konnte man draussen die frühen Schreie der exotischen Vögel hören, ein Kreischen, so menschlich, dass Marlen jedes Mal zusammenfuhr, und kurz darauf die ersten Rufe der Menschen, die die Schreie der Vögel schlagartig verstummen liessen. Dann kurzzeitig wieder vollkommene Stille. Ihre Hand hielt noch immer den Apparat fest umklammert, obwohl am anderen Ende das Gespräch längst beendet worden war. Jetzt erst bemerkte sie ihren Mann. Martins Haar war in den letzten Jahren vollkommen ergraut und stand jetzt nachtzerzaust und wild von seinem Kopf ab. In seinem weiten Pyjama wirkte er schlaksig und etwas verloren. »Kai?«, fragte er. Und in seiner Frage, die nur aus diesen drei Buchstaben bestand, lag so viel Resignation, so viel Erschöpfung, dass sie eigentlich gar keine Frage mehr war, sondern eine fatalistische Feststellung. Kai. »Ja« flüsterte sie. »Kai. Er ist in einer Klinik. In Deutschland. Er hatte wohl einen Zusammenbruch. Sein Auto ... er hat sein Auto angezündet. Sagen sie. Mitten in der Stadt. Wir sollen kommen.«
Sie war im Urlaub schwanger geworden, damals auf Hawaii, und hatte darum auf diesen Vornamen bestanden: Kai, was auf Hawaiianisch »das Meer« bedeutet. Ob es daran gelegen hatte, dass sie im Palaau State Park auf der kleinen Insel Molokai kichernd den majestätisch zum Himmel ragenden Phallic Rock berührt hat
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Autoren-Porträt von Marion Karausche
Marion Karausche, geboren in Deutschland, ist mit ihren drei Geschwistern in Madagaskar aufgewachsen. Sie hat an der Sorbonne, Paris studiert und anschliessend als Dolmetscherin (Französisch, Englisch, Deutsch) gearbeitet. Bis Anfang 2021 lebte sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern im Nahen Osten, wo sie als Übersetzerin u. a. für das Goethe Institut in Beirut und als Sprachlehrerin an einer amerikanischen Schule tätig war. "Der leere Platz" ist ihr erstes Buch.
Bibliographische Angaben
- Autor: Marion Karausche
- 2021, 2. Aufl., 272 Seiten, Masse: 12,6 x 18,7 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Kein & Aber
- ISBN-10: 3036958517
- ISBN-13: 9783036958514
- Erscheinungsdatum: 01.09.2021
Pressezitat
»Die Erzählungen des Buchs 'Der leere Platz' gehen unter die Haut (...) Karausche beschreibt in ihrem Roman die psychiatrische Klinik sehr plastisch und eindrucksvoll.« Christoph Müller, Psychosoziale Umschau, 16.04.2024 Psychosoziale Umschau 20240416
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