Die Maschen der Frauen
Georgia liebt das Klappern der Nadeln. Deshalb fühlt sich die alleinerziehende Mutter am wohlsten in ihrem gemütlichen Wollladen auf der Upper West Side. Genau wie ihre zwölfjährige Tochter und die fünf Frauen, die sich dort jeden Freitag zum Stricken...
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Georgia liebt das Klappern der Nadeln. Deshalb fühlt sich die alleinerziehende Mutter am wohlsten in ihrem gemütlichen Wollladen auf der Upper West Side. Genau wie ihre zwölfjährige Tochter und die fünf Frauen, die sich dort jeden Freitag zum Stricken treffen. Dass der lebhafte Strickclub Freundschaften schafft, die so tröstlich sind wie die weichste Merinowolle und so beständig wie das Lieblingspaar Stricknadeln, das findet Georgia heraus, als etwas passiert, das ihrer aller Leben verändern wird.
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Georgia liebt das Klappern der Nadeln. Deshalb fühlt sich die alleinerziehende Mutter am wohlsten in ihrem gemütlichen Woll-Laden auf der Upper West Side. Genau wie ihre zwölfjährige Tochter und die fünf Frauen, die sich dort jeden Freitag zum Stricken treffen. Dass der lebhafte Strickclub Freundschaften schafft, die so tröstlich sind wie die weichste Merinowolle und so beständig wie das Lieblingspaar Stricknadeln, das findet Georgia heraus, als etwas passiert, das ihrer aller Leben verändern wird.
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Die Maschen der Frauen von Kate Jacobs
LESEPROBE
1. Kapitel
Geöffnet:Dienstag bis Sonntag von 10.00-20.00 Uhr
G A R A N TI E R T !
Gutsichtbar standen die Öffnungszeiten von Walker and Daughter:Strickbedarf in leuchtend bunter Schrift auf dem Reklameschild über demTreppenabsatz. Allerdings kam es so gut wie nie vor, dass Georgia Walker abendsvor Viertel nach acht die Ladentür verriegelte. Oft wurde es sogar viel später.Und selbst dann hatte sie noch längst nicht Feierabend, sondern sammelte aufden Boden gefallene Wollfäden ein, bereitete die nächste Stunde ihresnachmittäglichen Strickkurses vor und rechnete die Kasse ab.
Sie sass aufdem Stuhl hinter der Verkaufstheke, schaltete ab vom Strassenlärm des untenvorbeiführenden Broadways und addierte die Zahlen auf einem Zettel. DasGeschäft läuft ganz gut, könnte aber noch besser sein, dachte sie seufzend und zupftean ihren langen kastanienbraunen Locken herum. Eine Angewohnheit, die sieeinfach nicht ablegen konnte. Am Ende eines stressigen Tages stand ihr Ponymanchmal in alle Richtungen ab. Sobald die Buchhaltung erledigt war, strich sieihr Haar glatt und klopfte sich die Radiergummireste von Jeans und Jerseytop.Etwas blass im Gesicht - sie arbeitete zu viel und war selten in der Sonne -erhob sie sich zu ihren stolzen 1,82 Meter (dank der 7,5 Zentimeter hohenAbsätze ihrer abgetragenen Cowboystiefel aus braunem Leder).
Dann drehtesie noch eine Runde durch den Laden und fuhr dabei über die nach Farbensortierten Garne - von Pastell- bis zu sattem Grasgrün, Rost- bis leuchtendErdbeerrot, Eis- bis Königsblau, Zitronengelb bis Bernsteinfarben sowie alleerdenklichen Nuancen von Grau, Beige, Schwarz und Weiss. All das gehörte ihr.Und natürlich Dakota - deshalb hiess der Laden ja auch Walker und Tochter -, diemit ihren zwölf Jahren ständig die Anweisungen ihrer Mutter ignorierte und sichlieber am Farbenspiel der Wolle erfreute.
Dakota wardas Ladenmaskottchen, massgebende Farbexpertin (mehr Glitzergarne!) undbeeindruckend geübt im Umgang mit den Stricknadeln. Georgia staunte oftdarüber, wie flink ihre Tochter strickte und wie souverän sie mitheruntergefallenen Maschen umging. Mehr als einmal hatte Georgia beobachtet, wieihr gar nicht mehr so kleines Mädchen selbstbewusst zu einer Kundin sagte:»Warten Sie, ich helfe Ihnen. Mit einer Häkelnadel kriegen wir das wieder hin «
WennGeorgia dann endlich das Licht löschen wollte, war es praktisch an derTagesordnung, dass eine Kundin atemlos die Treppe zum Geschäft im ersten Stockhinaufgelaufen kam und ihr zurief: »Könnte ich noch kurz reinkommen? Es dauert wirklichnur eine Minute « Bevor Georgia überhaupt eine Chance hatte, zu sagen, dassbereits geschlossen sei, war die Kundin schon im Laden. »Kommen Sie nurherein«, sagte sie für gewöhnlich und lief dann eben erst später die wenigenStufen hinauf in ihr spärlich möbliertes Appartement. Allerdings liess sie anSchultagen niemanden länger als bis neun im Laden bleiben, weil Dakota sonstnicht mit ihren Hausaufgaben fertig wurde. Aber Georgia schickte niemals einepotenzielle Kundin weg.
Sie würdeüberhaupt nie jemanden wegschicken. Mit einem erschöpften Lächeln, das dieersten Fältchen um ihre grünen Augen sichtbar werden liess, bat Georgia dieNachzüglerin herein. Auf ein Neues, schien ihr Blick zu sagen. Aberletztendlich war sie dankbar für jeden, der durch diese Ladentür kam. Und sienahm sich ausreichend Zeit für die Beratung, denn was das Geschäftslebenbetraf, hatte Georgia handfeste Vorstellungen: »Jeder Verkauf zieht einenweiteren nach sich - vorausgesetzt, man stellt den Kunden zufrieden.« Mit Theorien wie dieser ging sie Dakota regelmässig aufdie Nerven.
»Du kannstruhig schon gehen«, würde sie dann über die Schulter hinweg zu Anita sagen, dieimmer bis nach Geschäftsschluss blieb. Georgia hatte ihr gegenüber manchmal einschlechtes Gewissen, wenn es so spät wurde. Aber Anita, die in ihrem Chanel- Hosenanzugnoch genauso frisch und munter wirkte wie nachmittags um drei, schütteltelächelnd den Kopf - und ihr silbergrauer Bob lag danach wieder genauso perfektwie vorher.
Anitateilte Georgias Leidenschaft für Strickmuster und Garne. Und sie genoss es, mitden Kundinnen von Walker and Daughter über dasHandarbeiten zu plaudern.
DasStricken hatte Anita von dem Moment an begeistert, als ihre Grossmutter - »Bubbe« hatte Anita sie genannt - ihr zum ersten Mal einenStrang dicker, weicher Wolle in die Hände gedrückt hatte. Gebannt hatte siezugeschaut, wie durch flinkes Klappern mit den Nadeln aus dem jagdgrünen Fadeneine kleine, kuschelige Strickjacke entstand - mit dicken Knöpfen, die Anitamit ihren winzigen Fingern schon greifen konnte. Schon bald legte sie ihreHände auf die der Grossmutter, wollte unbe- 9 dingt mitmachen. Irgendwann zogsie selbst den Faden durch die Schlaufe und erlebte schliesslich den aufregendenMoment, zum ersten Mal Maschen aufzunehmen. Als junge Frau strickte sie sichTwinsets aus Angorawolle, die die Eltern ihr nicht kaufen konnten. Späterproduzierte sie am laufenden Band flauschige Decken und Söckchen für ihreKinder, während ihr Mann mit dem Aufbau seiner Firma beschäftigt war. Anitablieb dem Stricken treu, auch nachdem ihr Mann längst so gut verdiente, dass erseiner Familie ein mehr als angenehmes Leben bieten konnte. Schliesslich - siehatte die Lebensmitte bereits weit überschritten - schob Anita die Bücher mitStrickvorlagen beiseite und begann, mit Farben zu experimentieren und eigene Musterzu entwerfen.
Inzwischenwar sie fast sechzig, Mutter dreier erwachsener Söhne und Grossmutter von siebenhübschen und aufgeweckten Enkelkindern.
»Anita isteine Künstlerin«, pflegte Stan zu sagen, wenn die Leute seine Westenbewunderten, ohne die er nicht ins Büro ging. Stan. Er war immer stolz auf siegewesen und hatte sie damals ermutigt, den Job bei Georgia anzunehmen. Anitahingegen hatte befürchtet, dass die Leute es für verrückt hielten, wenn sie inihrem Alter plötzlich arbeiten ging.
»Wie wars?«, wollte Stan nach ihrem ersten Arbeitstag wissen. »Gut,sehr gut sogar«, hatte sie versichert und sich in seine Arme gekuschelt. »Dannmach es auf jeden Fall«, hatte er gemurmelt.
Von da anarbeitete Anita einmal wöchentlich nachmittags im Laden. Mit der Zeit wurde diekleine Dakota für sie wie ein weiteres Enkelkind. Und zwar eines, dass siesehen konnte, wann immer sie wollte - im Unterschied zu ihren eigenen Kindern undEnkelkindern, die alle weit weg gezogen waren: nach Israel, Zürich und Atlanta.Man schrieb sich natürlich und telefonierte, aber das war nicht das Gleiche.Anita konnte sie nicht besuchen - sie litt schon seit Ewigkeiten unterFlugangst, gegen die alle Psychologen und Beruhigungsmittel dieser Welt nichtsausrichten konnten. Zwischen den einzelnen Wiedersehen verging so viel Zeit,dass Anita jedes Mal das Gefühl hatte, fremden Menschen gegenüberzustehen. ()
© VerlagsgruppeHeyne
Übersetzung:Silvia Kinkel
- Autor: Kate Jacobs
- 2007, 496 Seiten, Masse: 11,7 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übers. v. Silvia Kinkel
- Herausgegeben: Rasha Khayat
- Übersetzer: Silvia Kinkel
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453580427
- ISBN-13: 9783453580428
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