Familienpackung / Andrea Schnidt Bd.3
''Ich will doch nur mal eine Stunde für mich'', seufzt Andrea Schnidt. Fans kennen sie bereits aus ''Frisch gepresst'' und ''Frisch gemacht''. Sie ist Mutter von zwei sehr selbstbewussten Kindern, verheiratet und stolze Besitzerin eines...
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''Ich will doch nur mal eine Stunde für mich'', seufzt Andrea Schnidt. Fans kennen sie bereits aus ''Frisch gepresst'' und ''Frisch gemacht''. Sie ist Mutter von zwei sehr selbstbewussten Kindern, verheiratet und stolze Besitzerin eines Reihenmittelhauses. Doch wie soll sie Kinder, Küche und Karriere mit Spass und einer Spitzenfigur unter einen Hut bringen? Susanne Fröhlich, die u.a. mit ihrem Bestseller ''Moppel-Ich'' Furore gemacht hat, weiss Bescheid: mit Witz, Humor und viel Selbstironie
"Das Papier vibriert nur so vor Lachen"
Bild am Sonntag
Zwischen den gut gemeinten Ratschlägen von Mutter und Schwiegermutter und den aufmunternden Anrufen der Freundinnen: »Lass uns doch mal wieder ausgehen, so ganz wie früher«, schlägt sich Andrea tapfer durch den alltäglichen Wahnsinn.
Wie kriegt man die drei grossen Ks - Kinder, Küche und Karriere - mit den drei grossen S' - Spass, Spitzenfigur und Supersex - unter einen Hut? Bestsellerautorin Susanne Fröhlich weiss Bescheid: mit Witz, Humor und einer extragrossen Portion Selbstironie!
»Amüsant, sexy und gnadenlos ehrlich!« Für Sie
Familienpackung vonSusanne Fröhlich
LESEPROBETag 2
Der nächste Tag, Tag X, der Aufbruch ins wilde Leben,beginnt vielversprechend. Als würde mein kleinesprivates Umfeld ahnen, was Sache ist. Alle sind friedlich. Niemand haut,niemand brüllt. Es herrscht himmlische Ruhe. Wunderbar. Während ich denKindergartenproviant zubereite, Äpfelchen zerteile und Brote schmiere, werfeich zur Bestätigung meines Vorhabens nochmal einenschnellen Blick auf die Liste in meiner Küchenschublade.
Ichwill:
- mehrSpannung
- mehrSex
- mehrAnerkennung
-schlankere Schenkel.
Undalles bitte schnell. Ganz schnell.
Ich glaube, da fehlt noch was. Ichergänze:
- primaStimmung
Christoph ist erstaunt. Über meineangeblich ungewohnt gute Laune. Üblicherweise bin ich morgens wirklich nichtdirekt das, was man in Hochform nennt. Aber es ist wahr: Man kann sich mentalpuschen. Mit einem kleinen Stück Papier. Hätte ich das früher geahnt, hätte iches längst getan.
Als Claudia und Christoph sich aufden Weg machen, bekommt mein Liebster einen langen Abschiedskuss. Mit allemdrum und dran. Wir züngeln, bis Claudia anfängt, an uns zu zerren. Es scheintihm zu gefallen. »Ich glaube, ich komme heute Abend mal früher und lasse dieAkten im Büro.« Mit diesem Satz signalisiert er, dassihm die Verabschiedung durchaus gefallen hat. Na bitte, vielleicht ist einTeil des Problems meine morgendliche Stoffeligkeit. Wie hat mein Vater schonimmer gesagt: »Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.« Beschliesse, ab jetzt morgens der reinste Sonnenschein zusein. Mal wieder richtig zu knutschen, ist toll. Heute Abend werden wir esordentlich krachen lassen.
Ich dusche und creme mich ein, alswäre es schon in wenigen Minuten so weit. Vorfreude ist doch die schönsteFreude. 0
Ich betrachte mich im Spiegel.Obenrum geht's. Vor allem, weil der Spiegel vom Duschen noch leicht beschlagenist. Untenrum, nun ja. Aber das wird.
Heute Nachmittag geht's in diegrosse Stadt. Schliesslich muss ich Christoph ja noch ein Geschenk besorgen. Hierim Ort ist das mit dem Shoppen so eine Sache. Einabgetakelter kleiner Eissalon, ein Schreibwarenlädchen, Zeitschriften und einSupermarkt. Nicht zu vergessen die Boutique
Anni. Der Name sagt alles. Ichkaufe wirklich sehr gerne ein, aber bei Anni bleibt meine Kreditkarte völligruhig. Nicht die kleinste Zuckung. Seit wir hier draussen leben, ist mein Kontoum einiges entspannter. Wo soll ich hier mein Geld auch lassen? Vor allem meinGeld! Seit ich nicht mehr arbeite - jedenfalls nicht ausser Haus -, leben wirvon Christophs Verdienst. Nichts Ungewöhnliches, aber für mich doch sehrgewöhnungsbedürftig. Christoph ist zum Glück keinSparbrötchen. Oder besser gesagt, kein extremes Sparbrötchen. Er hat durchausandere Vorstellungen als ich davon, wofür man dringend Geld ausgeben sollte.Allerdings würde ich durchdrehen, wenn ich für jedes Paar Kindergummistiefel umGeld bitten müsste.
Die Kinder habe ich für heuteNachmittag wegorganisiert. Claudia geht nach dem Kindergarten zu ihrer Freundinund Mark zu einem Freund. Ich werde wie in alten Zeiten ganz allein in Ruhedurch die Stadt bummeln. Ein schöner Gedanke.
Punkt drei Uhr gebe ich Mark beiseinem Lieblingskumpel Kai ab und beschliesse, eine sehr vernünftige Person zusein. Ich werde mit der S-Bahn in die Stadt fahren. Die SBahn-Nähehat unser Haus sicher um 15 % teurer gemacht, da wäre es ja sträflich, die Bahnnicht zu nutzen. Christoph weigert sich standhaft, mit der Bahn in die Kanzleizu fahren. Er steht lieber mit seinem schicken BMW im Stau. Ich hatte kurzüberlegt, ob eine Monatsmarke für den öffentlichen Nahverkehr ein schönesGeburtstagsgeschenk sein könnte, die Idee dann aber schnell wieder verworfen.Erstens: Jeder wie er es gerne hat. Zweitens: Ich bin ja keine Missionarin,und drittens: Von einem solchen Geschenk wäre ich auch nicht gerade beglückt.
Ich hetze zur Bahn, parke denWagen, lobe nochmal insgeheim meine Vernunft undspurte los. Manchmal hat der Mensch Glück - sogar ich -, die Bahn fährt geradein dem Moment ein, als ich den Bahnsteig betrete. Eigentlich müsste ich nochein Ticket ziehen, aber dann würde ich wieder 20 Minuten an diesem trostlosenBahnhof stehen und in dieser Zeit könnte ich schon herrlich Geld in der Stadtausgeben. Ausserdem: Habe ich nicht beschlossen, ab heute wild und gefährlichzu leben? Und genau besehen bin ich auch nicht mehr so jung, dass ich meineZeit an einem Bahnsteig verschwenden könnte. Wie oft bin ich als Teenie - lange ist es her - schwarzgefahren. Was damalsging, geht doch auch heute. Rein in die Bahn. Ganz so lässig wie damals alsJugendliche bin ich aber doch nicht mehr. Ich bekomme sofort einen roten Kopf,als könnten die anderen Fahrgäste gleich sehen, dass ich eine böse, mieseSchwarzfahrerin bin. Ich setze mich, starre auf den Boden und hoffe, dass dieFahrt schnell vorbeigeht. Ein echter Kick ist das nicht. Na ja, versuchen kannman's ja mal. Zwei Stationen später geht's mir schon besser. Man gewöhnt sichans Bösesein.
An der dritten Haltestelle, Rödelheim Bahnhof um genau zu sein, beginnt das Grauen.»Die Fahrausweise bitte«, schallt es durch die Bahn. 0 nein. Wie komme ich hierbloss raus? Ich versuche mich zu beruhigen, überlege wie im Wahn, welche Ausredeangebracht wäre. Kein Kleingeld, Monatskarte vergessen oder Ähnliches ist docharg profan und unglaubwürdig. Ich habe noch nicht zu Ende gedacht, da stehensie schon vor mir. Drei Kontrolleure. Zwei Kerle und eine Frau, die mich nettanlächelt. Noch. »Ihre Fahrkarte bitte«, sagt einer der Männer freundlich. Ichfange an zu wühlen, werde knallrot bis zu den Ohren, habe das
Gefühl, in wenigen Sekundeneinfach umzukippen und beginne meinen Stammelmonolog, »Tja also, ich finde sieirgendwie nicht.« Unterstützend wühle ich manisch inmeinen Taschen und versuche, unschuldig zu gucken. Sehr elegant ist dasnicht, aber was Besseres fällt mir leider nicht ein. »So, so«, sagt der ersteKerl nur und wiegt bedächtig den Kopf.
»Ischhab eine«, brüllt der andere Kerl daraufhin fast begeistert durch den gesamtenWagen und da sehe ich auch schon das Licht. Eine Kamera mit einem kleinenScheinwerfer und ein blonde Tussi mit Mikrophon. Ist das hier >VerstehenSie Spass< oder was? »Was wollen die denn da?«,frage ich den ersten Kerl. »Die mache 'ne Reportasche zum Thema Schwarzfahrer för RTL Explosiv«, informiert er mich stolz. Das fehlt janoch. »Ich fahre nicht schwarz, sondern ich finde meine Fahrkarte einfach nurnicht«, sage ich so ruhig und entspannt wie irgendwie möglich. »Des sache se alle«, triumphiert der zweite Kerl und zwinkertder Reportertussi zu. Die sieht ihren Moment gekommen, schiebt mir das Mikrounters Kinn und fragt mit einem unterschwelligen Grinsen: »Wieso fahren Siedenn schwarz?« jetzt langt es aber. Ich bin schon fastselbst davon überzeugt, meine Fahrkarte verschlampt zu haben, so angegriffenfühle ich mich. »Ich finde sie nicht«, insistiere ich nochmal.»Ich habe sie noch eben gezogen und jetzt ist sie weg«, heuchle ich mir einenab.
Da mischt sich doch glatt eineFrau, zwei Reihen vor mir ein. Wir haben sowieso recht stattliches Publikum.Keiner will sich das Spektakel entgehen lassen. »Sie, Sie sind doch ebeneinfach in die Bahn gesprunge, ich hab Sie net am Automate gesehen. Un ichbin an derselbe Haltestell los.«
Na prima. War die in ihremfrüheren Leben bei der Stasi oder hat die zu viel Aktenzeichen XY gesehen? Ichhasse solche Leute. Gilt so was mittlerweile als Zivilcourage? Die RTL -Tante,aufgetakelt, als wäre sie bei einer Gala und nicht in einer schnöden S-Bahn,dreht sich für einen Moment von mir weg und hält der Petzliese das Mikrophonunter die Nase. »Würden Sie das nochmal wiederholen,das, was Sie gesehen haben?«, fordert sie die Frauauf. Die fühlt sich inzwischen, als wäre sie Kronzeugin einesKapitalverbrechens und holt jetzt erst so richtig aus. »Ischkenn die Frau und isch hab alles gesehe.Die war net am Automate und hat aachkaa Fahrkart gezoge. Un unneruns, die haben werklisch genug Geld, um 'ne Fahrkart zu bezahlen.Aber des is ja typisch. So Leutbedrüge dann noch de Staat.«Hilfe, wer ist denn diese Wahnsinnige? Ihr Gesicht kommt mir vage bekannt vor.»Was reden Sie denn da«, unterbreche ich die Frau, »kennen wir uns?«, frage ich nochmal nach. Manweiss ja nie. »Sie kenne misch wahrscheinlisch net, aber isch Sie. Un Ihr Kind aach. Die verwöhnte Grott. Leut wie Sie übersehe jagern Leut wie misch. Ischputz im Kinnergarten, wo Ihne ihrnFrau Tochter hingeht. Un ischbezahl mei Fahrkart. Immä. Obwohl isch es net so dicke hab wie Sie.« Scheisse. Scheisse. Scheisse. RTL und dazu dieKindergartenputzfrau. Welch eine unheilvolle Kombination. Morgen weiss es dasganze Kaff. Na bravo. Die RTL-Frau ist kurz vor der Ekstase. Schwarzfahrerinund dazu noch einen Hauch Klassenkampf. »Jetzt langt es aber«, sage ich undbetone nochmal, dass ich meine Fahrkarte schlichtnicht finde. »Gelochen, alles voll geloche«, schreit die Frau aus dem Kindergarten, und ichschreie zurück, »Gar nicht gelogen«, und bin kurz davor zu heulen oder die Frausehr doll zu hauen. So hat
te ich mir meinen gemütlichen Ausflug in die Stadt nicht vorgestellt.»Genug«, sagt der ruhigere der beiden Kontrolleure, »an der nächsten Stationsteigen wir alle aus und klären die Sache.« Dienächste Station ist zwar nicht die Innenstadt, aber ich glaube, so wählerischkann ich in meiner momentanen Situation leider nicht sein. »Okay«, antworteich, die Aussicht, diesen Ort des Grauens zu verlassen, ist ausgesprochenverlockend, obwohl ich, wenn ich die Wahl hätte, mich am liebsten einfach inLuft auflösen oder die Uhr um zwei Stündchen zurückdrehen würde. Unter denAugen des gesamten S-Bahn-Wagens verlasse ich, wie eine Delinquentin auf demWeg zum Schafott, die S-Bahn. Die RTL-Tante begleitet uns. DieKindergartenputzpetze erhebt sich ebenfalls. »Ischkomm mit, damit Sie misch als Zeugin uffnehme könne«,bietet sie geifernd an. Zum Glück erhebt jetzt erstmals die Kontrolleurin dieStimme. »Vielen Dank, das ist nicht nötig, wir haben genug von Ihnen gehört«,gibt sie der Hexe eine Abfuhr. Die ist sichtlich enttäuscht, grummelt: »WieSie meine, bitte sehr, mer will ja nur helfe, demStaat un so«, und ruft mir ein »mir sehe uns, mirzwei« hinterher. »Ich freue mich schon ganz doll«, rufe ich zurück.
Auf dem Bahnsteig dann Verhörzweiter Teil. Man könnte meinen, ich hätte die S-Bahn entführt oder mehrereBahnhöfe abgefackelt. Aber es scheint, als hätte die Kontrolleurin Mitleid.»Wenn Sie vierzig Euro zahlen, dann ist das Thema erledigt«, bietet sie mir an.Ich krame meine Brieftasche raus und finde genau 33,80 Euro. Zu wenig. »NehmenSie auch Kreditkarten?«, frage ich nach. »Nein, leidernicht«, bleibt sie weiterhin nett, »vielleicht können Sie jemanden anrufen,der sie abholt und zahlt.« Anrufen, prima Vorschlag,aber wen?
© S. Fischer Verlag
- Autor: Susanne Fröhlich
- 2006, 11. Aufl., 256 Seiten, Masse: 12,4 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596157358
- ISBN-13: 9783596157358
- Erscheinungsdatum: 17.11.2006
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