Sisi und ihre Geschwister
Schicksale und Dramen einer Dynastie
Wie in einem großen Drama lesen sich die Lebensgeschichten der Geschwister der legendären Kaiserin Sisi: Königliche Hochzeiten und Mesalliancen, bürgerliche Karrieren und Teilnahme an Krieg und...
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Produktinformationen zu „Sisi und ihre Geschwister “
Schicksale und Dramen einer Dynastie
Wie in einem großen Drama lesen sich die Lebensgeschichten der Geschwister der legendären Kaiserin Sisi: Königliche Hochzeiten und Mesalliancen, bürgerliche Karrieren und Teilnahme an Krieg und Revolution.
Die Geschwister der legendären Kaiserin Elisabeth: Da ist Nene, von Sisi bei Kaiser Franz Joseph ausgestochen, die dann den Erbprinzen von Thurn und Taxis heiratet und früh Witwe wird. Die schöne Sophie, die Ludwig II. von Bayern heiraten soll - der aber eine "rein freundschaftliche Beziehung" vorzieht ... Marie hingegen wird Königin, aber Krieg und Revolution zwingen sie zur Flucht aus ihrem Königreich Neapel, worüber sie sich mit einer leidenschaftlichen Liebesaffäre hinwegtröstet. Ganz anders der "Aussteiger" Carl Theodor, der gegen den heftigen Widerstand seiner Familie Medizin studiert und ein in ganz Europa berühmter Augenarzt wird. In gewohnter Meisterschaft porträtiert Erika Bestenreiner die Figuren dieses historischen Dramas: Kaum ein Romanautor könnte sich aber so viele verschiedene Schicksale ausdenken, wie sie in Sisis Familie versammelt sind: Geschichten vom Leben der herzoglichen Familie der Wittelsbacher, von Politik und Liebe, von der Suche nach Glück in der Welt der großen Dynastien.
Klappentext zu „Sisi und ihre Geschwister “
Die sieben Geschwister der legendären Kaiserin Elisabeth haben mindestens ebenso interessante Lebenswege eingeschlagen wie ihre Schwester: Nene, »Gackel«, Marie, Ludwig, Sophie, Mathilde und Max Emanuel - die jungen Herzöge und Herzoginnen in Bayern. Mitreissend, aber genau an den Quellen orientiert, porträtiert Erika Bestenreiner die farbigen Figuren dieser berühmten Familie und entführt ihre Leser in die Welt der europäischen Fürstenhäuser, in die Geschichten von Liebe und Politik, von Bürgertum und Adel und von der Suche nach dem Glück.
Lese-Probe zu „Sisi und ihre Geschwister “
Sisi und ihre Geschwister von Erika BestenreinerProlog
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Die Spitze der scharf geschliffenen Feile durchdrang das schwarze Oberkleid der Dame, deren Mieder sowie das weiße Batisthemd und bohrte sich, ohne nennenswerten Widerstand zu finden, durch Haut und Muskelschichten ins Herz. Die Dame fiel rücklings zu Boden, doch wurde der Sturz durch ihre schwere Frisur gemildert. Man half ihr auf und säuberte das beschmutzte Kleid. Sie war zunächst nur erstaunt, fragte, was dieser furchtbare Mensch eigentlich gewollt habe, und ob der Anschlag etwa ihrer Uhr gegolten haben könnte. Man ging betroffen und ratlos etwa hundert Meter weiter bis zur Anlegestelle und betrat das Schiff. Erst hier brach die Gräfin zu Hohenems - unter diesem Namen war die Dame im Hotel abgestiegen - zusammen. Das Schiff kehrte zurück, die Gräfin wurde auf eine improvisierte Bahre gelegt und ins Hotel zurückgebracht. Hier stellte der Arzt nur noch den Tod fest. Elisabeth, Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien und Galizien, Markgräfin von Mähren, gefürstete Gräfin von Tirol, Herrin von Triest und Königin von Jerusalem, war ermordet worden.
Der Attentäter, ein italienischer Anarchist namens Luigi Lucheni, wurde festgenommen. Er triumphierte ob des gelungenen Mordanschlages auf das gekrönte Haupt und wünschte sich heldenhaft die Todesstrafe. Dabei hatte er es ursprünglich nicht auf die Kaiserin abgesehen, aber sein eigentliches Ziel, Prinz Henri von Orléans, der Kronprätendent von Frankreich, hatte es sich anders überlegt und war nicht nach Genf gekommen. Dabei wäre auch Henri nur sein Opfer zweiter Wahl gewesen, denn an erster Stelle seiner Liste rangierte König Umberto von Italien; um aber nach Rom zu gelangen, fehlte dem mittellosen Anarchisten Lucheni das Fahrgeld. Also erstach er, einem spontanen Entschluß folgend, statt dessen die Kaiserin von Österreich. Die Wunde, die er in ihr Herz gebohrt hatte, war so klein, daß das Blut nur ganz allmählich in den Herzbeutel strömte und die Herztätigkeit langsam stillegte. Elisabeth starb eines sanften Todes. Wäre sie an jenem 10. September nicht in Genf gewesen, wäre nichts geschehen. Es war Elisabeths Schicksal, sich zur falschen Zeit am falschen Ort zu befinden.
Eine Spontanhandlung von historischer Bedeutung stand auch an jener Schnittstelle der Zeiten, an der die fünfzehnjährige Elisabeth, auch Sisi genannt, in die Geschichtsschreibung eintrat. Die Brautwerbung des jungen Kaisers Franz Joseph I. hätte eigentlich ihrer älteren Schwester Helene gelten sollen. Darauf hatten sich die Familien schon geeinigt, als das Auge des dreiundzwanzigjährigen Monarchen auf die hübsche Elisabeth fiel . . . Nun, wie junge Leute eben sind. Wie anders wäre womöglich die Geschichte des Hauses Habsburg - und damit die Weltgeschichte - verlaufen, hätte Franz Joseph sich damals anders entschieden.
Eine Woche nach dem entsetzlichen Geschehen am Genfer See bewegte sich der Trauerzug in altertümlich barockem Prunk von der Kapelle der Wiener Hofburg, wo die Tote aufgebahrt worden war, zu der am Neuen Markt gelegenen Kapuzinerkirche. Die Kaiserin hatte zwar einmal geäußert, am Meer, am liebsten auf ihrer Lieblingsinsel Korfu, begraben zu werden. Doch ein Wunsch, noch dazu ein so ausgefallener, zählte nicht bei Obersthofmeister Fürst Montenuovo, dem strengen Wächter über das Zeremoniell im Hause Habsburg. Eine Kaiserin hatte ihre letzte Ruhestätte in der Kapuzinergruft zu finden. Auch eine Frau, die ein Leben lang versucht hatte, jeder Etikette zu entfliehen, mußte sich im Tode fügen. In der Kapuzinerkirche warteten der Gatte der Ermordeten, Kaiser Franz Joseph, und der deutsche Kaiser Wilhelm II. - der ihm in großer Verbundenheit beistand. Dahinter befanden sich ihre Kinder, die Erzherzoginnen Gisela und Valerie, und die Familie der Kaiserin.
In diesem Jahr 1898 lebten von den acht Kindern des Herzogs Max in Bayern und seiner Gemahlin Ludovika nur noch vier: Elisabeths Brüder Ludwig und Carl Theodor sowie ihre Schwestern Marie und Mathilde. Elisabeth hatte sich ihren Geschwistern zeit ihres Lebens innig verbunden gefühlt. Daß sie bisweilen unbewußt und ungewollt auf deren Leben Einfluß nahm, brachte ihr Rang als Gattin eines der mächtigsten Monarchen Europas mit sich.
Possenhofen - ein mehr oder weniger intaktes Elternhaus
Die Eltern, Herzog Max in Bayern und Prinzessin Ludovika
Die Ehe der Eltern Max Herzog in Bayern mit Ludovika, der jüngsten Tochter des Königs von Bayern, Maximilian I. Joseph, war eine jener Fürstenehen, die nicht glücklich verlief. Wie so oft, fanden Herz und Politik nicht zueinander. Ludovika hätte einen Prinzen aus dem portugiesischen Haus Braganza vorgezogen, was jedoch nicht erwünscht war, weil die Aussicht darauf, daß der Prinz jemals den Thron von Portugal besteigen würde, gering war. Als es dann wider Erwarten doch dazu kam, war es zu spät. Da stand die Braut bereits im Begriff, zum Traualtar zu schreiten. Wahrscheinlich aber war Ludovikas Wunsch, den portugiesischen Prinzen zu heiraten, von vornherein aussichtslos. Denn der Vater der Braut, König Max I. von Bayern, und der Großvater des Bräutigams, Herzog Wilhelm in Bayern, hatten schon längst die Ehe Ludovikas mit seinem Enkel Max beschlossen.
Dem jungen Herzog ging es nicht anders. Er hatte nicht die geringste Lust, die Tochter des Königs zu heiraten. Max war damals gerade in ein bürgerliches Mädchen verliebt, und soll Ludovika unumwunden mitgeteilt haben, daß er sie nicht liebe und wohl auch nie lieben werde. Die Vorstellung liegt nahe, daß dieses freimütige Geständnis die Bereitschaft der Zwanzigjährigen, die Ehe mit einem Mann dieser Art einzugehen, nicht eben steigerte. Doch da die Politik allemal vor der Liebe rangierte, war Widerstand zwecklos und den beiden Fürstenkindern blieb nichts anderes übrig, als den Weg zu beschreiten, den das Schicksal ihnen gewiesen hatte.
Die beiden wollten wirklich nicht heiraten. Als das Brautpaar am 9. September 1828 in Tegernsee zum Traualtar schritt, sagt man, habe es ausgesehen, als würde es zu einer Beerdigung gehen. Und anstatt sich beim Jawort anzusehen, soll jeder den Kopf in die andere Richtung gewandt haben.
Und es war nicht nur persönliche Antipathie, die Ludovika bewog, Max abzulehnen. Sie fühlte sich auch rangmäßig zurückgesetzt. Ihre älteren Schwestern Elisabeth, Amalie und Marie waren nämlich durch ihre Heirat Königinnen geworden; Elisabeth mit König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen; deren Zwillingsschwester Amalie mit König Johann von Sachsen; Maria mit dessen Nachfolger Friedrich August II. Sophie schließlich hatte den österreichischen Erzherzog Franz Karl zum Mann genommen, in der Erwartung, er würde der nächste Kaiser von Österreich sein. Eine Rechnung allerdings, die sie ohne den damals noch allmächtigen Staatskanzler Fürst Metternich gemacht hatte, wie man noch sehen wird. Immerhin aber hatte Sophie in das mächtige Haus Habsburg eingeheiratet, was nicht zu verachten war, während Ludovika, zwar auch Königstochter, sich mit einem Herzog in Bayern begnügen sollte.
Herzog Max in Bayern
Das »in« war der feine aber gravierende Unterschied zum »von« Bayern.
Diese bayerischen »in«-Herzöge stammten vom Pfalzgrafen Johann Karl von Birkenfeld-Gelnhausen ab, dessen Sohn Johannes anhaftete, einer nicht ganz standesgemäßen Ehe entsprossen zu sein, weswegen er jahrelang um die Erbfolge kämpfen mußte. Die weitere Generationenfolge dieser gewissermaßen linken genealogischen Linie weist die Namen Wilhelm, Pius und schließlich Maximilian, genannt Max, auf, den Bräutigam besagter Prinzessin Ludovika, dem es, wie schon erwähnt, im wesentlichen versagt geblieben ist, sie glücklich zu machen.
Es gab nicht nur Standesunterschiede zwischen den beiden. Auch menschlich gesehen waren die Ehepartner denkbar verschieden. Sie hatten einander nichts zu sagen. Max war, wie es leichtlebig veranlagte Menschen oft sind, ein vielseitig interessierter Mann: literarisch, historisch, touristisch, musikalisch. Seine Bibliothek umfaßte 27000 Bände. Unter dem Pseudonym »Phantasus« veröffentlichte er Gedichte und Novellen, aber auch historische Betrachtungen von Kaiser Friedrich III. bis zur Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko sowie Beschreibungen seiner vielen Reisen, die ihn bis tief in den Orient führten. Er spielte angesichts der Pyramiden auf seiner Zither und sang dazu bayrische Gstanzln. Er ritt mit seinen Begleitern wochenlang auf Kamelen durch die Wüste und brachte aus Ägypten vier Negerknaben mit, die er dort auf dem Sklavenmarkt gekauft hatte. Halb München verfolgte interessiert ihre Taufe und amüsierte sich über die absonderlichen Liebhabereien des Herzogs. Wen wundert es da, daß er diese Vorliebe für Außergewöhnliches, diesen Freiheitsdrang, der ihn beseelte, als Erbe manchem seiner Kinder mitgegeben hat. Ein Erbe, das sich wohl am ausgeprägtesten an Elisabeth, der Kaiserin von Österreich, offenbarte. Auch sie machte den zwergwüchsigen Negerknaben Rustimo, den sie angeblich vom Schah von Persien erhalten hatte, zum Spielgefährten ihrer Tochter Valerie. Als Dokument dieses Zusammenseins ließ sie die beiden photographieren.
Elisabeth hatte auch die Unrast ihres Vaters, seine Reiselust und seinen Freiheitsdrang mitbekommen, nicht aber seine Lebensfreude, seine Leichtlebigkeit und die Gabe, das Beste aus dem Gegebenen zu machen. Sie hingegen verfiel in Melancholie, in zunehmenden Lebensüberdruß, der sich bis zu Selbstmordgedanken steigerte.
Die reiche Hinterlassenschaft seiner Mutter, einer Prinzessin Arenberg, zu der unter anderem Besitzungen in Frankreich und ein Palais in Paris gehörten, ermöglichten Herzog Max einen großzügigen Lebensstil ohne jede höfische Verpflichtung. Zu Hause umgab er sich mit einem Kreis hauptsächlich bayrischer bürgerlicher Gelehrter und Künstler, seiner berühmten »Artusrunde«, wo viel getrunken und musiziert, aber auch ernsthaft diskutiert wurde. Von Etikette hielt er nichts. Seine bevorzugte Kleidung war die Lederhose, sein Lieblingsinstrument die Zither, was ihm den Namen »Zithermax« eintrug. Zu vorgerückter Stunde sang er dazu in geselliger Runde Gstanzln, deren Texte, wie es bei diesem literarischen Genre üblich ist, weit davon entfernt waren, salonfähig zu sein.
Das einzige Gedicht, das von ihm erhalten ist, trägt den Titel »Meine Zither«:
Das Liebste auf der weiten Welt
Ist mir der trauten Zither Spiel.
Ich schätz es mehr als alles Geld
Und kostet's auch der Mühe viel.
Bin froh und guten Mutes ich,
So freut sie sich mit ihrem Herrn.
Und fühl' ich trüb und traurig mich,
So teilt sie meinen Kummer gern.
Drum ist mir wohl bei ihr allein,
Weil sie, die einz'ge mich versteht,
Ich lass die Menschen Menschen sein
Und spiel mit ihr von früh bis spät . . .
Er bekam viel Beifall für sein Zitherspiel, und es bereitete ihm ein diebisches Vergnügen, wenn es ihm gelang, dabei nicht erkannt zu werden. Angeblich soll Herzog Max später seine Tochter Elisabeth sogar öfter zu ländlichen Veranstaltungen mitgenommen haben, wo er ebenfalls inkognito mit der Zither aufspielte, während sie dazu tanzte und danach mit der Schürze die Münzen auffing, die ihr die Bauernburschen zuwarfen. Einige dieser Münzen soll sie sogar aufbewahrt haben und ihren Hofdamen als »einziges ehrlich verdientes Geld« gezeigt haben. Gewiß handelt es sich nur um eine Anekdote, aber vielleicht ist doch ein Körnchen Wahrheit daran.
Im Hof des herzoglichen Palais' an der Ludwigstraße, das Max von dem Architekten Klenze im Stil der Hochrenaissance erbauen ließ, hatte er einen Zirkus einrichten lassen, in dem die Gäste neben gewagten Clownsnummern auch den Herzog selbst als Kunstreiter bewundern konnten. Pferde waren sein besonderes Hobby. »Wenn wir keine Prinzen wären, wären wir Kunstreiter geworden «, soll er einmal gesagt haben. Im Palais hatte Herzog Max ein »Café chantant« im Pariser Stil einrichten lassen, dessen 44 Meter langer Fries besonderes Aufsehen erregte und von den Gästen mit allem Für und Wider diskutiert wurde. Der Münchner Maler Schwanthaler hatte dort das antike Leben in all seiner Freizügigkeit dargestellt.
Wenn Max von einer seiner vielen Reisen heimkehrte, war er sich seiner ehelichen Pflichten durchaus bewußt. Immerhin war Ludovika eine recht reizvolle Frau und zehn Kinder, von denen acht überlebten, legen davon - sowie von Maxens Übereinstimmung mit seiner Ehegemahlin in diesem einen Punkt - Zeugnis ab. Im Jahre 1831 wurde Ludwig geboren, 1834 die erste Tochter Helene. Es folgte im Jahre 1837 Elisabeth, 1839 Carl Theodor. Marie wurde 1841 geboren und Mathilde 1843. Die jüngste Tochter, Sophie, erblickte 1847 das Licht der Welt, der jüngste Sohn, Max Emanuel im Jahre 1849.
Zum Ärger seiner Gattin vergnügte sich Herzog Max aber auch des öfteren mit einem hübschen Bauernmädchen. Wenn diese Beziehung Folgen hatte und ein Kind daraus hervorging, sorgte er für dessen Unterhalt und fand auch die Mutter großzügig ab. Daß zwei seiner unehelichen Kinder mit ihm essen durften, war sogar gang und gäbe, während seine ehelichen Sprösslinge, einer häuslichen Etikette folgend, sich dagegen anzumelden hatten. Kein Zweifel, daß Herzogin Ludovika über die Liebesabenteuer ihres Gatten nicht eben erfreut war und ihrem Mißvergnügen deutlich Ausdruck verlieh, was diesen dann meist veranlaßte, möglichst rasch den heimischen Herd wieder zu verlassen.
Wenn Herzog Max auch seinen Standesgenossen oft zu Kritik Anlaß bot - die Landbevölkerung liebte ihn! Er war ein Mann nach ihrem Geschmack, ohne Hochmut, ohne Standesdünkel. Er war einer der Ihren.
Herzogin Ludovika in Bayern
Der Herzogin von eher schlichter und häuslicher Art - ihr Wirkungskreis beschränkte sich auf Heim und Kinderstube, ihre Geselligkeit auf den engen Kreis ihrer Verwandten - blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Eskapaden ihres Herrn Gemahl zu tolerieren. Es brauchte Zeit, bis sie es lernte. Ganz verwunden hat sie die Demütigungen, die er ihr jahrelang zufügte, wohl nie. Den ersten Jahrestag ihrer Ehe habe sie von früh bis spät nur geweint, erzählte sie später ihren Kindern. Und ihre Schwestern wußten ein Lied von ihren permanenten Klagen zu singen
Die Kinder wuchsen in ziemlicher Freiheit auf, vor allem im Sommer in Schloß Possenhofen. Während das Palais in München mit aller Pracht eingerichtet war, die Böden mit edelsten Hölzern eingelegt, die Wände mit Gemälden reich geschmückt, war Possenhofen dagegen eine ländliche Villa, mit Holztreppen und niedrigen Räumen, in der es keinesfalls streng zuging. Nicht nur die Hunde der Herzogin durften tun was sie wollten, auch für die Kinder war es das Paradies schlechthin. Hier gab es einen großen Garten, der bis an das Ufer des Starnberger Sees hinunterreichte, Natur und Tiere, Hasen, Hühner, Meerschweinchen und Lämmer, hier konnten sie nach Herzenslust umhertollen, reiten und rudern, schwimmen und segeln. Und wenn ihr Vater im Lande war, dann nahm er sie mit hinaus in Wald und Flur, eine willkommene Gelegenheit, den langweiligen Unterrichtsstunden der Hauslehrer zu entrinnen. Die taten zwar ihr möglichstes, ihnen alles Nötige beizubringen, aber es fehlte ihnen wohl an der nötigen Autorität, ihren Willen auch durchzusetzen. Dasselbe läßt sich von Ludovika sagen. So ließ die Allgemeinbildung der Kinder einiges zu wünschen übrig.
Mit dem Vater hingegen wurde gespielt und Spaß gemacht, Néné und Sisi begleiteten ihn auch in den Wald auf die Pirsch und erkletterten so manchen Berg. Vor allem Sisi war im Gegensatz zu Néné eine vorzügliche Reiterin, die nichts den Knechten überließ und ihr Pferd mit Hingabe selbst striegelte und putzte. Dem Herzog gefiel es, da konnte Ludovika über dieses bäuerliche Gehabe schimpfen soviel sie wollte.
Elisabeth war der Liebling des Herzogs. In ihr fand er so manches wieder, was seinem eigenen Wesen entsprach: die Liebe zu den Pferden und zur Reitkunst, zur Natur und den Bergen. Aber Elisabeths Vorliebe für den Vater, die ihre jungen Jahre geprägt hatte, schwand mit der Zeit. Unzufrieden wie sie mit ihrer Ehe und mit ihrem Leben als Kaiserin war, hatte sie auf einmal größtes Verständnis für ihre Mutter, die in ihrem Zusammenleben mit ihrem Mann ebenfalls nie glücklich gewesen war. Und sie gab die Schuld daran dem Vater.
Sie liebten alle ihr »Possi«, wie sie es nannten, und kehrten auch später, als sie längst verheiratet waren, immer wieder dorthin zurück. Vor allem, wenn sie ein Kummer drückte oder sie weder aus noch ein wußten, dann war das Schlößchen am Starnberger See der Ort, an dem sie sich Trost, Zuspruch und Hilfe erhofften.
Copyright © 2002 Piper Verlag GmbH, München
Die Spitze der scharf geschliffenen Feile durchdrang das schwarze Oberkleid der Dame, deren Mieder sowie das weiße Batisthemd und bohrte sich, ohne nennenswerten Widerstand zu finden, durch Haut und Muskelschichten ins Herz. Die Dame fiel rücklings zu Boden, doch wurde der Sturz durch ihre schwere Frisur gemildert. Man half ihr auf und säuberte das beschmutzte Kleid. Sie war zunächst nur erstaunt, fragte, was dieser furchtbare Mensch eigentlich gewollt habe, und ob der Anschlag etwa ihrer Uhr gegolten haben könnte. Man ging betroffen und ratlos etwa hundert Meter weiter bis zur Anlegestelle und betrat das Schiff. Erst hier brach die Gräfin zu Hohenems - unter diesem Namen war die Dame im Hotel abgestiegen - zusammen. Das Schiff kehrte zurück, die Gräfin wurde auf eine improvisierte Bahre gelegt und ins Hotel zurückgebracht. Hier stellte der Arzt nur noch den Tod fest. Elisabeth, Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien und Galizien, Markgräfin von Mähren, gefürstete Gräfin von Tirol, Herrin von Triest und Königin von Jerusalem, war ermordet worden.
Der Attentäter, ein italienischer Anarchist namens Luigi Lucheni, wurde festgenommen. Er triumphierte ob des gelungenen Mordanschlages auf das gekrönte Haupt und wünschte sich heldenhaft die Todesstrafe. Dabei hatte er es ursprünglich nicht auf die Kaiserin abgesehen, aber sein eigentliches Ziel, Prinz Henri von Orléans, der Kronprätendent von Frankreich, hatte es sich anders überlegt und war nicht nach Genf gekommen. Dabei wäre auch Henri nur sein Opfer zweiter Wahl gewesen, denn an erster Stelle seiner Liste rangierte König Umberto von Italien; um aber nach Rom zu gelangen, fehlte dem mittellosen Anarchisten Lucheni das Fahrgeld. Also erstach er, einem spontanen Entschluß folgend, statt dessen die Kaiserin von Österreich. Die Wunde, die er in ihr Herz gebohrt hatte, war so klein, daß das Blut nur ganz allmählich in den Herzbeutel strömte und die Herztätigkeit langsam stillegte. Elisabeth starb eines sanften Todes. Wäre sie an jenem 10. September nicht in Genf gewesen, wäre nichts geschehen. Es war Elisabeths Schicksal, sich zur falschen Zeit am falschen Ort zu befinden.
Eine Spontanhandlung von historischer Bedeutung stand auch an jener Schnittstelle der Zeiten, an der die fünfzehnjährige Elisabeth, auch Sisi genannt, in die Geschichtsschreibung eintrat. Die Brautwerbung des jungen Kaisers Franz Joseph I. hätte eigentlich ihrer älteren Schwester Helene gelten sollen. Darauf hatten sich die Familien schon geeinigt, als das Auge des dreiundzwanzigjährigen Monarchen auf die hübsche Elisabeth fiel . . . Nun, wie junge Leute eben sind. Wie anders wäre womöglich die Geschichte des Hauses Habsburg - und damit die Weltgeschichte - verlaufen, hätte Franz Joseph sich damals anders entschieden.
Eine Woche nach dem entsetzlichen Geschehen am Genfer See bewegte sich der Trauerzug in altertümlich barockem Prunk von der Kapelle der Wiener Hofburg, wo die Tote aufgebahrt worden war, zu der am Neuen Markt gelegenen Kapuzinerkirche. Die Kaiserin hatte zwar einmal geäußert, am Meer, am liebsten auf ihrer Lieblingsinsel Korfu, begraben zu werden. Doch ein Wunsch, noch dazu ein so ausgefallener, zählte nicht bei Obersthofmeister Fürst Montenuovo, dem strengen Wächter über das Zeremoniell im Hause Habsburg. Eine Kaiserin hatte ihre letzte Ruhestätte in der Kapuzinergruft zu finden. Auch eine Frau, die ein Leben lang versucht hatte, jeder Etikette zu entfliehen, mußte sich im Tode fügen. In der Kapuzinerkirche warteten der Gatte der Ermordeten, Kaiser Franz Joseph, und der deutsche Kaiser Wilhelm II. - der ihm in großer Verbundenheit beistand. Dahinter befanden sich ihre Kinder, die Erzherzoginnen Gisela und Valerie, und die Familie der Kaiserin.
In diesem Jahr 1898 lebten von den acht Kindern des Herzogs Max in Bayern und seiner Gemahlin Ludovika nur noch vier: Elisabeths Brüder Ludwig und Carl Theodor sowie ihre Schwestern Marie und Mathilde. Elisabeth hatte sich ihren Geschwistern zeit ihres Lebens innig verbunden gefühlt. Daß sie bisweilen unbewußt und ungewollt auf deren Leben Einfluß nahm, brachte ihr Rang als Gattin eines der mächtigsten Monarchen Europas mit sich.
Possenhofen - ein mehr oder weniger intaktes Elternhaus
Die Eltern, Herzog Max in Bayern und Prinzessin Ludovika
Die Ehe der Eltern Max Herzog in Bayern mit Ludovika, der jüngsten Tochter des Königs von Bayern, Maximilian I. Joseph, war eine jener Fürstenehen, die nicht glücklich verlief. Wie so oft, fanden Herz und Politik nicht zueinander. Ludovika hätte einen Prinzen aus dem portugiesischen Haus Braganza vorgezogen, was jedoch nicht erwünscht war, weil die Aussicht darauf, daß der Prinz jemals den Thron von Portugal besteigen würde, gering war. Als es dann wider Erwarten doch dazu kam, war es zu spät. Da stand die Braut bereits im Begriff, zum Traualtar zu schreiten. Wahrscheinlich aber war Ludovikas Wunsch, den portugiesischen Prinzen zu heiraten, von vornherein aussichtslos. Denn der Vater der Braut, König Max I. von Bayern, und der Großvater des Bräutigams, Herzog Wilhelm in Bayern, hatten schon längst die Ehe Ludovikas mit seinem Enkel Max beschlossen.
Dem jungen Herzog ging es nicht anders. Er hatte nicht die geringste Lust, die Tochter des Königs zu heiraten. Max war damals gerade in ein bürgerliches Mädchen verliebt, und soll Ludovika unumwunden mitgeteilt haben, daß er sie nicht liebe und wohl auch nie lieben werde. Die Vorstellung liegt nahe, daß dieses freimütige Geständnis die Bereitschaft der Zwanzigjährigen, die Ehe mit einem Mann dieser Art einzugehen, nicht eben steigerte. Doch da die Politik allemal vor der Liebe rangierte, war Widerstand zwecklos und den beiden Fürstenkindern blieb nichts anderes übrig, als den Weg zu beschreiten, den das Schicksal ihnen gewiesen hatte.
Die beiden wollten wirklich nicht heiraten. Als das Brautpaar am 9. September 1828 in Tegernsee zum Traualtar schritt, sagt man, habe es ausgesehen, als würde es zu einer Beerdigung gehen. Und anstatt sich beim Jawort anzusehen, soll jeder den Kopf in die andere Richtung gewandt haben.
Und es war nicht nur persönliche Antipathie, die Ludovika bewog, Max abzulehnen. Sie fühlte sich auch rangmäßig zurückgesetzt. Ihre älteren Schwestern Elisabeth, Amalie und Marie waren nämlich durch ihre Heirat Königinnen geworden; Elisabeth mit König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen; deren Zwillingsschwester Amalie mit König Johann von Sachsen; Maria mit dessen Nachfolger Friedrich August II. Sophie schließlich hatte den österreichischen Erzherzog Franz Karl zum Mann genommen, in der Erwartung, er würde der nächste Kaiser von Österreich sein. Eine Rechnung allerdings, die sie ohne den damals noch allmächtigen Staatskanzler Fürst Metternich gemacht hatte, wie man noch sehen wird. Immerhin aber hatte Sophie in das mächtige Haus Habsburg eingeheiratet, was nicht zu verachten war, während Ludovika, zwar auch Königstochter, sich mit einem Herzog in Bayern begnügen sollte.
Herzog Max in Bayern
Das »in« war der feine aber gravierende Unterschied zum »von« Bayern.
Diese bayerischen »in«-Herzöge stammten vom Pfalzgrafen Johann Karl von Birkenfeld-Gelnhausen ab, dessen Sohn Johannes anhaftete, einer nicht ganz standesgemäßen Ehe entsprossen zu sein, weswegen er jahrelang um die Erbfolge kämpfen mußte. Die weitere Generationenfolge dieser gewissermaßen linken genealogischen Linie weist die Namen Wilhelm, Pius und schließlich Maximilian, genannt Max, auf, den Bräutigam besagter Prinzessin Ludovika, dem es, wie schon erwähnt, im wesentlichen versagt geblieben ist, sie glücklich zu machen.
Es gab nicht nur Standesunterschiede zwischen den beiden. Auch menschlich gesehen waren die Ehepartner denkbar verschieden. Sie hatten einander nichts zu sagen. Max war, wie es leichtlebig veranlagte Menschen oft sind, ein vielseitig interessierter Mann: literarisch, historisch, touristisch, musikalisch. Seine Bibliothek umfaßte 27000 Bände. Unter dem Pseudonym »Phantasus« veröffentlichte er Gedichte und Novellen, aber auch historische Betrachtungen von Kaiser Friedrich III. bis zur Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko sowie Beschreibungen seiner vielen Reisen, die ihn bis tief in den Orient führten. Er spielte angesichts der Pyramiden auf seiner Zither und sang dazu bayrische Gstanzln. Er ritt mit seinen Begleitern wochenlang auf Kamelen durch die Wüste und brachte aus Ägypten vier Negerknaben mit, die er dort auf dem Sklavenmarkt gekauft hatte. Halb München verfolgte interessiert ihre Taufe und amüsierte sich über die absonderlichen Liebhabereien des Herzogs. Wen wundert es da, daß er diese Vorliebe für Außergewöhnliches, diesen Freiheitsdrang, der ihn beseelte, als Erbe manchem seiner Kinder mitgegeben hat. Ein Erbe, das sich wohl am ausgeprägtesten an Elisabeth, der Kaiserin von Österreich, offenbarte. Auch sie machte den zwergwüchsigen Negerknaben Rustimo, den sie angeblich vom Schah von Persien erhalten hatte, zum Spielgefährten ihrer Tochter Valerie. Als Dokument dieses Zusammenseins ließ sie die beiden photographieren.
Elisabeth hatte auch die Unrast ihres Vaters, seine Reiselust und seinen Freiheitsdrang mitbekommen, nicht aber seine Lebensfreude, seine Leichtlebigkeit und die Gabe, das Beste aus dem Gegebenen zu machen. Sie hingegen verfiel in Melancholie, in zunehmenden Lebensüberdruß, der sich bis zu Selbstmordgedanken steigerte.
Die reiche Hinterlassenschaft seiner Mutter, einer Prinzessin Arenberg, zu der unter anderem Besitzungen in Frankreich und ein Palais in Paris gehörten, ermöglichten Herzog Max einen großzügigen Lebensstil ohne jede höfische Verpflichtung. Zu Hause umgab er sich mit einem Kreis hauptsächlich bayrischer bürgerlicher Gelehrter und Künstler, seiner berühmten »Artusrunde«, wo viel getrunken und musiziert, aber auch ernsthaft diskutiert wurde. Von Etikette hielt er nichts. Seine bevorzugte Kleidung war die Lederhose, sein Lieblingsinstrument die Zither, was ihm den Namen »Zithermax« eintrug. Zu vorgerückter Stunde sang er dazu in geselliger Runde Gstanzln, deren Texte, wie es bei diesem literarischen Genre üblich ist, weit davon entfernt waren, salonfähig zu sein.
Das einzige Gedicht, das von ihm erhalten ist, trägt den Titel »Meine Zither«:
Das Liebste auf der weiten Welt
Ist mir der trauten Zither Spiel.
Ich schätz es mehr als alles Geld
Und kostet's auch der Mühe viel.
Bin froh und guten Mutes ich,
So freut sie sich mit ihrem Herrn.
Und fühl' ich trüb und traurig mich,
So teilt sie meinen Kummer gern.
Drum ist mir wohl bei ihr allein,
Weil sie, die einz'ge mich versteht,
Ich lass die Menschen Menschen sein
Und spiel mit ihr von früh bis spät . . .
Er bekam viel Beifall für sein Zitherspiel, und es bereitete ihm ein diebisches Vergnügen, wenn es ihm gelang, dabei nicht erkannt zu werden. Angeblich soll Herzog Max später seine Tochter Elisabeth sogar öfter zu ländlichen Veranstaltungen mitgenommen haben, wo er ebenfalls inkognito mit der Zither aufspielte, während sie dazu tanzte und danach mit der Schürze die Münzen auffing, die ihr die Bauernburschen zuwarfen. Einige dieser Münzen soll sie sogar aufbewahrt haben und ihren Hofdamen als »einziges ehrlich verdientes Geld« gezeigt haben. Gewiß handelt es sich nur um eine Anekdote, aber vielleicht ist doch ein Körnchen Wahrheit daran.
Im Hof des herzoglichen Palais' an der Ludwigstraße, das Max von dem Architekten Klenze im Stil der Hochrenaissance erbauen ließ, hatte er einen Zirkus einrichten lassen, in dem die Gäste neben gewagten Clownsnummern auch den Herzog selbst als Kunstreiter bewundern konnten. Pferde waren sein besonderes Hobby. »Wenn wir keine Prinzen wären, wären wir Kunstreiter geworden «, soll er einmal gesagt haben. Im Palais hatte Herzog Max ein »Café chantant« im Pariser Stil einrichten lassen, dessen 44 Meter langer Fries besonderes Aufsehen erregte und von den Gästen mit allem Für und Wider diskutiert wurde. Der Münchner Maler Schwanthaler hatte dort das antike Leben in all seiner Freizügigkeit dargestellt.
Wenn Max von einer seiner vielen Reisen heimkehrte, war er sich seiner ehelichen Pflichten durchaus bewußt. Immerhin war Ludovika eine recht reizvolle Frau und zehn Kinder, von denen acht überlebten, legen davon - sowie von Maxens Übereinstimmung mit seiner Ehegemahlin in diesem einen Punkt - Zeugnis ab. Im Jahre 1831 wurde Ludwig geboren, 1834 die erste Tochter Helene. Es folgte im Jahre 1837 Elisabeth, 1839 Carl Theodor. Marie wurde 1841 geboren und Mathilde 1843. Die jüngste Tochter, Sophie, erblickte 1847 das Licht der Welt, der jüngste Sohn, Max Emanuel im Jahre 1849.
Zum Ärger seiner Gattin vergnügte sich Herzog Max aber auch des öfteren mit einem hübschen Bauernmädchen. Wenn diese Beziehung Folgen hatte und ein Kind daraus hervorging, sorgte er für dessen Unterhalt und fand auch die Mutter großzügig ab. Daß zwei seiner unehelichen Kinder mit ihm essen durften, war sogar gang und gäbe, während seine ehelichen Sprösslinge, einer häuslichen Etikette folgend, sich dagegen anzumelden hatten. Kein Zweifel, daß Herzogin Ludovika über die Liebesabenteuer ihres Gatten nicht eben erfreut war und ihrem Mißvergnügen deutlich Ausdruck verlieh, was diesen dann meist veranlaßte, möglichst rasch den heimischen Herd wieder zu verlassen.
Wenn Herzog Max auch seinen Standesgenossen oft zu Kritik Anlaß bot - die Landbevölkerung liebte ihn! Er war ein Mann nach ihrem Geschmack, ohne Hochmut, ohne Standesdünkel. Er war einer der Ihren.
Herzogin Ludovika in Bayern
Der Herzogin von eher schlichter und häuslicher Art - ihr Wirkungskreis beschränkte sich auf Heim und Kinderstube, ihre Geselligkeit auf den engen Kreis ihrer Verwandten - blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Eskapaden ihres Herrn Gemahl zu tolerieren. Es brauchte Zeit, bis sie es lernte. Ganz verwunden hat sie die Demütigungen, die er ihr jahrelang zufügte, wohl nie. Den ersten Jahrestag ihrer Ehe habe sie von früh bis spät nur geweint, erzählte sie später ihren Kindern. Und ihre Schwestern wußten ein Lied von ihren permanenten Klagen zu singen
Die Kinder wuchsen in ziemlicher Freiheit auf, vor allem im Sommer in Schloß Possenhofen. Während das Palais in München mit aller Pracht eingerichtet war, die Böden mit edelsten Hölzern eingelegt, die Wände mit Gemälden reich geschmückt, war Possenhofen dagegen eine ländliche Villa, mit Holztreppen und niedrigen Räumen, in der es keinesfalls streng zuging. Nicht nur die Hunde der Herzogin durften tun was sie wollten, auch für die Kinder war es das Paradies schlechthin. Hier gab es einen großen Garten, der bis an das Ufer des Starnberger Sees hinunterreichte, Natur und Tiere, Hasen, Hühner, Meerschweinchen und Lämmer, hier konnten sie nach Herzenslust umhertollen, reiten und rudern, schwimmen und segeln. Und wenn ihr Vater im Lande war, dann nahm er sie mit hinaus in Wald und Flur, eine willkommene Gelegenheit, den langweiligen Unterrichtsstunden der Hauslehrer zu entrinnen. Die taten zwar ihr möglichstes, ihnen alles Nötige beizubringen, aber es fehlte ihnen wohl an der nötigen Autorität, ihren Willen auch durchzusetzen. Dasselbe läßt sich von Ludovika sagen. So ließ die Allgemeinbildung der Kinder einiges zu wünschen übrig.
Mit dem Vater hingegen wurde gespielt und Spaß gemacht, Néné und Sisi begleiteten ihn auch in den Wald auf die Pirsch und erkletterten so manchen Berg. Vor allem Sisi war im Gegensatz zu Néné eine vorzügliche Reiterin, die nichts den Knechten überließ und ihr Pferd mit Hingabe selbst striegelte und putzte. Dem Herzog gefiel es, da konnte Ludovika über dieses bäuerliche Gehabe schimpfen soviel sie wollte.
Elisabeth war der Liebling des Herzogs. In ihr fand er so manches wieder, was seinem eigenen Wesen entsprach: die Liebe zu den Pferden und zur Reitkunst, zur Natur und den Bergen. Aber Elisabeths Vorliebe für den Vater, die ihre jungen Jahre geprägt hatte, schwand mit der Zeit. Unzufrieden wie sie mit ihrer Ehe und mit ihrem Leben als Kaiserin war, hatte sie auf einmal größtes Verständnis für ihre Mutter, die in ihrem Zusammenleben mit ihrem Mann ebenfalls nie glücklich gewesen war. Und sie gab die Schuld daran dem Vater.
Sie liebten alle ihr »Possi«, wie sie es nannten, und kehrten auch später, als sie längst verheiratet waren, immer wieder dorthin zurück. Vor allem, wenn sie ein Kummer drückte oder sie weder aus noch ein wußten, dann war das Schlößchen am Starnberger See der Ort, an dem sie sich Trost, Zuspruch und Hilfe erhofften.
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Autoren-Porträt von Erika Bestenreiner
Erika Bestenreiner, geboren 1926 in Wien, schloss ihr Studium der Germanistik und Romanistik mit der Promotion ab. Danach war sie als freiberufliche Journalistin und Autorin tätig. Bis zu ihrem Tod lebte sie in Grünwald bei München. Auf ihr sehr erfolgreiches Buch »Luise von Toscana. Skandal am Königshof« folgten »Sisi und ihre Geschwister«, »Franz Ferdinand und Sophie von Hohenberg« sowie »Charlotte von Mexiko« und zuletzt »Die Frauen aus dem Hause Coburg«.
Bibliographische Angaben
- Autor: Erika Bestenreiner
- 2003, 336 Seiten, mit farbigen Abbildungen, Masse: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492240062
- ISBN-13: 9783492240062
- Erscheinungsdatum: 01.12.2003
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